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Frauen führen anders! Auch in der Praxis und Apotheke?

Frauen sind in den letzten Jahren zu Hoffnungsträgerinnen in der deutschen Führungswelt geworden.

„Frauen denken und fühlen anders als Männer. Frauen bringen in die von Männern geprägte Führungswelt mehr emotional ausgerichtete Aspekte ein. Das tut allen Unternehmen sehr gut“. Diese allgemein gehaltenen Thesen werden in den letzten Jahren von den Medien stark unterstützt und sind auch zum Teil durch Studien belegt.

Trotzdem gelingt es Frauen nur selten, sich in der bislang von Männern dominierten Führungswelt durchzusetzen und nachhaltig zu etablieren. Wir versuchen heute, mögliche Ursachen für diese Diskrepanz aufzuzeigen. Darüber hinaus wollen wir, nach dem allgemeinen Teil, für Inhaberinnen von Praxen und Apotheken herausarbeiten, wie diese ihre (Führungs-)Wirksamkeit erhöhen können.

Das Dilemma liegt vermutlich zum einen daran, dass an den entscheidenden Stellen zur Personalauswahl in der Regel auf männlich geprägte Entscheidungsmuster zurückgegriffen wird. Aber auch die Rollenerwartung an Frauen hat Auswirkungen. Kinder, Familie, vor allem aber die Vorbilder prägen die eigenen Präferenzen nachhaltiger, als es vielen lieb ist.

Das Thema „Frauen in Führungsverantwortung“ ist daher vielschichtig. Allerdings gibt die heutige Forschung erste Anhaltspunkte zur Orientierung:

Führungsvermögen: Grundsätzlich führen Frauen auch in der Praxis oder Apotheke gut oder sogar sehr gut: Umfangreiche Studien belegen, dass Frauen im Durchschnitt etwas besser führen als Männer. Deutliche Stärken zeigten sie in diesen Studien bei Motivation und intellektueller Anregung von Mitarbeitern/innen. Die Unterschiede in den übrigen Kompetenzen zeigten sich nur in geringem Maße besser, aber über alle Studien kontinuierlich.

Studien, die sich mit der Führungsmotivation von Frauen beschäftigen, zeigen ein anderes Bild. Dokumentationen von Einzelgesprächen, Online-Befragungen oder Gruppentests – in Momentaufnahmen oder in Beobachtungen über verschiedene Zeiträume – zeigen, dass die Motivation in der Übernahme von Führungsverantwortung bei den Männern durchweg höher ist. Sowohl die Eigenwahrnehmung, als auch die Reflexion von außen, bestätigt den Frauen eine durchweg geringere Bereitschaft bei der Übernahme von Führungsverantwortung.

Die entscheidenden Fragen:

Wollen Frauen führen und wenn ja: Wie wollen sie führen?

Ein kurzer Blick zur Entstehung des generellen Frauenbilds: Zunächst bestimmen äußerliche Attribute sehr stark die Zugehörigkeit zum Geschlecht. Unsere Kultur, unsere Vorbilder und die mediale Welt weisen dann der Frau eine bestimmte Rolle und ein erwartetes Verhalten zu.

Aber: Frau ist nicht gleich Frau. Alle Frauen (auch die Männer) haben weibliche und männliche Anteile. Diese Anteile kommen situativ und dann in unterschiedlichen Dosierungen zur Geltung. Nicht nur aus diesem Grund sind generelle Aussagen auch zu der Frage „Wollen Frauen führen?“ schwierig und angreifbar. Trotzdem versuchen wir, zum Zwecke der klareren Orientierung, eine Fokussierung dieses Themas.

Woran könnte es liegen, dass das bei Frauen festgestellte Führungsvermögen nicht konsequent umgesetzt wird und in der Führungsmotivation seinen „Feind“ zu haben scheint?

Vermutlich fehlen Mädchen und jungen Frauen Vorbilder, durch die sie lernen, dass es durchaus möglich ist, als Frau selbstsicher und autonom zu führen. Ein Indiz hierfür: sowohl in Schulen, Universitäten und Unternehmen werden Spitzenpositionen größtenteils von männlichen Führungskräften besetzt.

Grundsätzlich scheinen Frauen – in der Tendenz – auf Kooperation ausgerichtet. Dies ist im beruflichen Kontext eher hinderlich, da sie sich in vielen Situationen selbst zu stark zurücknehmen und eher eine Beobachterrolle einnehmen.

Der kooperative Führungsstil der Frau wirkt eher integrativ und einbindend. In vielen Führungspositionen, auch in der Arztpraxis und in der Apotheke, werden jedoch verstärkt ausschließlich an Leistung orientierte Mitarbeiter/innen und Führungskräfte bevorzugt.

Sofern Frauen aber, vor diesem Hintergrund, ihre kooperative Rolle verlassen, ihre Meinung äußern und sich zu bestimmten Themen deutlich positionieren, werden ihnen negative Attribute angeheftet. Da niemand gerne ausgegrenzt werden möchte, geht vielen Frauen dann schnell das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten verloren. Sie passen sich an und schlüpfen häufig in die ursprünglich zugedachte Rolle.

Das erwartete kooperative Rollenverhalten ist vermutlich auch ein Grund dafür, warum es Frauen, auch untereinander, so schwer fällt, Konflikte offen und auf Augenhöhe auszutragen. Häufig ist zu beobachten, dass Ausgrenzung oder Mobbing als fraueninterne Konfliktlösungsstrategien gewählt werden.

Was bedeuten diese Thesen für die Inhaberinnen, für die Praxis oder Apotheke?

Der Frauenanteil im Medizin- oder Pharmaziestudium hat in den letzten Jahren so stark zugenommen, dass mittlerweile nahezu 70% der Studierenden junge Frauen sind. Hieraus ergibt sich, dass ein Großteil der in den kommenden 10 Jahren zum Verkauf stehenden Praxen und Apotheken in Frauenhände übergehen wird. Sofern aber weiterhin u.a. Vorbehalte oder sogar Ängste vor wirtschaftlicher Verantwortung und Mitarbeiterführung bestehen, werden viele Ärztinnen eher die Anstellung anstreben und viele Praxisstandorte keine Käufer mehr finden.

Eine strukturierte Fortbildung – auch in den Themen „Mitarbeiterführung und Durchsetzung“ – ist absolut notwendig. Hierdurch können Ärztinnen und Apothekerinnen alte Bilder verbannen und mehr mit ihren Stärken in Kontakt kommen.

Was können Sie konkret tun?

Ärztinnen und Apothekerinnen arbeiten, bedingt durch die weiblich geprägten Berufsbilder der Helferberufe, sehr häufig ausschließlich mit Frauen zusammen. Die Herausforderung für die Chefin ist hier eher nicht die klassische Ellenbogenarbeit, die sie bei Männern einsetzen müssen. Vielmehr kämpfen sie

  • gegen Vorbehalte ihrer eigenen Mitarbeiterinnen, die darin liegen, dass diese Frauen für keine guten Chefs halten. Viele Mitarbeiterinnen präferieren einen Mann als Chef
  • gegen die Dynamik von Frauenteams.

Daher ist es wichtig, dass Ärztinnen ein Gefühl für das eigene Führungsverhalten entwickeln, sowie die eigenen Stärken und Schwächen kennenlernen. Denn ihr Führungsstil sollte so flexibel sein, wie Ihre Mitarbeiter/innen dies in vielen Situationen intuitiv abfordern.

Was können Sie also tun, um den eigenen Spaß an der Arbeit zu erhalten?

  1. Setzen Sie die klassischen Führungsinstrumente konsequent ein: Regelmäßig durchgeführte und gut vorbereitete Teammeetings sind ein konsequentes und wirkungsvolles Führungsinstrument. Gut vorbereitete individuelle Mitarbeitergespräche geben Ihnen die Möglichkeit, Lob und Kritik adäquat zu äußern und zu zeigen, wer die Praxis oder Apotheke führt. Die richtige Delegation ist sehr wirkungsvoll. Sie verteilt Verantwortung für bestimmte Aufgaben, gibt Freiheiten für die Chefin und fordert Ihre Mitarbeiter/innen. (Zu diesen Themen verweisen wir auf unsere separaten Artikel.)
  2. Investieren Sie in Ihre Mitarbeiter/innen: Sowohl zielgerichtete Weiterbildung, als auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sind starke Bindungselemente und Investitionen in die Zukunft. Ihr Engagement in diesen Bereichen honorieren Ihre Mitarbeiterinnen. Obwohl die Vergütung der MFA oder PKA/PTA häufig im Niedriglohnbereich liegt, stellen diese beiden Punkte eine hohe Bindung dar.
  3. Haben Sie den Mut anders zu sein, als Ihre Wettbewerber. Neue, andere Wege in der Patientenbindung und Behandlungsqualität können Ihren Mitarbeiterinnen zeigen: unsere Chefin ist innovativ und irgendwie „cool“.
  4. Mut zum Konflikt: Sobald sich ein Konflikt in Ihrer Praxis oder Apotheke  zeigt, stellen Sie sich aktiv dieser Herausforderung. Analysieren Sie zunächst die Situation, auch durch Einzelgespräche, gründlich. Ziel einer gründlichen Recherche ist es, keinem Vorurteil oder einseitiger Problembeschreibung aufzusitzen. Danach bewerten Sie die Situation und treffen Entscheidungen, die Sie mit Ihren Mitarbeiterinnen besprechen. Dieses Vorgehen kommt vielen Frauen entgegen und zeigt ein gesundes Selbstbewusstsein.
  5. Mut zur Trennung: Sollte sich eine Mitarbeiterin Ihnen oder der Praxis gegenüber illoyal verhalten oder Sie sogar betrügen, zögern Sie keinen Augenblick und trennen Sie sich von dieser Mitarbeiterin. Eine konsequente Entscheidung, die auch in der Praxis oder Apotheke offen kommuniziert werden sollte, hat positive Auswirkungen auf Ihre Beziehung zu den verbleibenden Mitarbeiterinnen.

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