Der Umsatz allein, der viele Jahre in unterschiedlichen prozentualen Verhältnissen zur ersten groben Bestimmung eines Praxiswertes herangezogen wurde, lässt häufig keine verwertbaren Rückschlüsse auf den Wert einer Praxis bzw. künftige Gewinnerwartungen mehr zu. Der nachhaltig zu erzielenden Ertrag einer Praxis ist in den letzten Jahren – zur Ermittlung eines Kaufpreises – immer stärker in den Fokus gerückt.
Das modifizierte Ertragswertverfahren ist ein Ansatz, mit dem sowohl die Werte der Vergangenheit berücksichtigt, als auch eine Simulation der Chancen und Risiken in der Zukunft möglich gemacht werden. Man geht hierbei von dem Gedanken aus, dass der Kauf einer Praxis eine Investition ist, deren Wert sich aus einem nachhaltig erzielbaren Ertrag – und damit einer nachhaltigen Renditeerwartung – ableiten lässt. Der Ertragswert entspricht, einfach ausgedrückt, der Summe, die z.B. als Bankguthaben – bei vergleichbarer Verzinsung und Risiken – einen identischen Ertrag wie eine Investition in z.B. Ihre Praxis bringen würde.
Weiterhin wird bei der modifizierten Ertragswertmethode davon ausgegangen, dass der aktuell erwirtschaftete Gewinn, der die Basis für den sogenannten ideellen Wert darstellt, innerhalb einiger Jahre auf den Erwerber übergeht. Dieser Übergang wird rechnerisch durch eine Abzinsung des Gewinns, mit einem sogenannten Kapitalisierungszinssatzes, dargestellt.
Bis jetzt hört sich alles ganz einfach an. Sicherlich erwarten Sie, auch wenn Sie wissen, dass es zur Ermittlung von Praxiswerten keine gesetzlichen Vorschriften gibt, dass zwei unabhängig voneinander tätige – und nach diesem Verfahren arbeitende – Praxisbewerter zu identischen Ergebnissen kommen. Das ist allerdings höchst selten.
1. Der nachhaltig erzielbare Gewinn
Zunächst werden Umsatz und Kosten der Praxis, z.B. der letzten 3 Jahre, betrachtet. Hierbei wird der Umsatz des am weitesten zurück liegenden Jahres mit dem Faktor 1 multipliziert, das darauf folgende Jahr mit dem Faktor 2 und das letzte Wirtschaftsjahr mit Faktor 3. Hierdurch wird die aktuelle Entwicklung der Praxis, egal ob gut oder schlecht, am stärksten berücksichtigt. Nun zu den weiteren Positionen:
Umsätze: z.B. können besondere Umsätze aus verschiedenen Gründen nicht in die Zukunft übertragen werden und müssen – bei der Betrachtung der künftigen Ertragschancen – außen vor gelassen werden.
Welche beispielhaften Umsätze könnten das sein?
- Umsätze mit bestimmten Patientengruppen, wenn beispielsweise gute persönliche Beziehungen (z.B. Tätigkeit im Sportverein) und fachliche Qualifikationen des Abgebers nicht auf den/die Übernehmer/in übertragen werden können
- Umsätze mit bestimmten Behandlungen, wenn der/die Übernehmer/in nicht über die notwendigen Qualifikationen verfügt
Zu den nachhaltig entstehenden Kosten
Auch hier sind für den zukünftigen Erfolg nicht die in der Vergangenheit benötigten, sondern die in der Zukunft erforderlichen, Kosten und Aufwände entscheidend.
Personalkosten: Selbstausbeutung des Inhabers oder Personalüberhang z.B. festgemacht an Benchmarkzahlen zu den Arbeitsstunden oder Personalkosten zeigen, ob Einsparpotenziale bestehen oder sogar Kostenerhöhungen anstehen.
Mietkosten: z.B. Staffelmieten führen hier zu Abschlägen, da sie z.T. erhebliche Auswirkungen auf die Zukunft haben. Eine Praxis ist i.d.R. standortabhängig, daher ist es von höchster Bedeutung, dass der Erwerber auch zumindest Mieter der Praxisräume werden kann und die Konditionen angemessen sind.
Finanzierungskosten: sind höchst individuell und müssen daher auf die Situation des Übernehmers abgestellt werden. Die Verzinsung des Kaufpreises, sowie die Zinsen einer üblichen Inanspruchnahme des Geschäftskontos, bilden deshalb für die zukünftigen Kapitalkosten die Grundlage. Dies gilt identisch, wenn eine Finanzierung aus Eigenkapital dargestellt wird. Aus diesen Gründen sind für die Ermittlung des zukünftigen Gewinns die Finanzierungskosten des Verkäufers zu neutralisieren.
Abschreibungen (AfA): Hier gelten ähnliche Überlegungen wie bei den Finanzierungskosten. Eine geringe AfA könnte zudem auf Investitionstau oder kurzfristig erforderliche Ersatzinvestitionen hinweisen.
Sonstige Kosten: Hierzu gehören Buchführungs- und Steuerberaterkosten, finanzielle Verpflichtungen aus Wartungsverträgen, z.B. EDV, etc. In der Regel lassen sich diese durch gewichtete Durchschnittswerte der Gewinnermittlungen der letzten Jahre ermitteln.
Bei Betrachtung aller gewichteten Umsätze und Kosten der letzten Jahre, inkl. Berücksichtigung aller Sonderfaktoren, ergibt sich dann der übertragbare Gewinn.
2. Unternehmergehalt
Das Unternehmergehalt stellt ein Äquivalent für den zu leistenden zeitlichen und fachlichen Aufwand des/r Übernehmers/in dar. Die Höhe ist von zahlreichen Faktoren wie Umsatzgröße, Mitarbeiterzahl, regionalem Gehaltsniveau u.a. abhängig. Ein allgemeingültiges Unternehmergehalt wird es deshalb nicht geben können.
Zur ersten Orientierung bietet sich die höchste Tarifgruppe für approbierte Ärzte/innen an. Das sind z.Z. im 11. Berufsjahr € 6.685 pro Monat. Mit Lohnnebenkosten und weiteren Zuschlägen für Nachtdienste abzüglich eines pauschalisierten Steuersatzes von 35% dient ein Gehalt in Höhe von ca. T€ 80 p.a. als Planungsgröße.
Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass eine Praxis, mit deren Ertragskraft sich kein angemessenes Unternehmergehalt erwirtschaften lässt, auch über keinen Ertragswert verfügt.
3. Festlegung des Kapitalisierungszinssatzes
Der Kapitalisierungszinssatz wird aus dem Basiszins einer risikofreien Anlage (hilfsweise kann hier der – von der Deutschen Bundesbank veröffentlichte – Basiszins zur Unternehmensbewertung herangezogen werden) zuzüglich Risikoprämie, Zuschlag für Veräußerbarkeit und einem Abschlag für Geldentwertung gebildet.
Durch diese Zu- oder Abschläge wird dabei z.B. den allgemeinen (wirtschaftlichen oder politischen) Risiken Rechnung getragen. Spezielle Risiken, z.B. Umsatzverluste, finden dagegen in der Ermittlung des übertragbaren Gewinns ihre Berücksichtigung.
Durch die Kapitalisierung des errechnetes Wertes über mehrere Jahre, geht die modifizierte Ertragswertermittlung davon aus, dass sich der Wert zunehmend verflüchtigt bzw. auf den Erwerber übergeht. Die Betrachtung der Einflussfaktoren zeigt, dass für alle Bewerter umfangreiche Interpretationsspielräume bleiben. Also werden zwei Berater – trotz Anwendung des gleichen Verfahrens – in der Regel zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.
Fazit
Letztendlich entscheidet nicht die Höhe des errechneten Wertes über den Kaufpreis, sondern Angebot und Nachfrage lassen auch hier die Preise zum Teil deutlich schwanken. Dennoch wird eine sachlich begründete Kaufpreisvorstellung die Verhandlungen zwischen Käufer und Verkäufer in den meisten Fällen erleichtern.